1857
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Marx, Karl. [Englische Greueltaten in China]. Als vor einigen Jahren im Parlament das entsetzliche Foltersystem in Indien aufgedeckt wurde, stellte Sir James Hogg, einer der Direktoren der Höchst Ehrenwerten Ostindischen Kompanie, die kühne Behauptung auf, daß die vorgebrachten Anschuldigungen unbegründet seien. Spätere Untersuchungen bewiesen jedoch, daß sie auf Tatsachen beruhen, die den Direktoren hätten wohlbekannt sein müssen, und Sir James blieb nichts anderes übrig, als entweder "vorsätzliche Unkenntnis" oder "strafbare Kenntnis" hinsichtlich der furchtbaren Anklage gegen die Kompanie zuzugeben. Lord Palmerston, der jetzige englische Premierminister, und Earl of Clarendon, der Minister für Auswärtige Angelegenheiten, scheinen sich gerade jetzt in einer ähnlichen, wenig beneidenswerten Lage zu befinden. Auf dem kürzlich stattgefundenen Bankett des Oberbürgermeisters von London machte der Premierminister in seiner Rede den Versuch, die an den Chinesen begangenen Greueltaten zu rechtfertigen: "Hätte die Regierung in diesem Falle ein Vorgehen gebilligt, das nicht zu rechtfertigen war, würde sie unzweifelhaft einen Weg beschritten haben, der die Mißbilligung des Parlaments und des Landes verdient hätte. Wir aber waren, umgekehrt, davon überzeugt, daß dieses Vorgehen notwendig und unvermeidlich war. Uns dünkte, daß unserem Lande ein großes Unrecht zugefügt worden war. Uns dünkte, daß unsere Landsleute auf einem weit entfernten Teil des Erdballs einer Folge von Beleidigungen, Gewalttätigkeiten und Greueltaten ausgesetzt gewesen waren, die nicht mit Stillschweigen übergangen werden konnten." (Beifallsrufe.) "Uns dünkte, daß die vertraglichen Rechte unseres Landes verletzt worden waren und daß die mit der Verteidigung unserer Interessen in jenem Teil der Welt beauftragten Männer nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet waren, diese Gewalttätigkeiten zu ahnden, soweit die Macht, die sie in Händen hielten, sie dazu in den Stand setzte. Uns dünkte, wir würden das Vertrauen, das die Bürger unseres Landes in uns gesetzt hatten, enttäuscht haben, hätten wir das Vorgehen nicht gebilligt, das wir für richtig hielten und das unter den gleichen Umständen zu wiederholen wir für unsere Pflicht halten würden." (Beifallsrufe.) Mögen sich auch das englische Volk und die weite Welt von solchen gefälligen Erklärungen noch so sehr täuschen lassen, seine Lordschaft selbst hält sie sicherlich nicht für wahr, und tut er es dennoch, so offenbart er damit eine vorsätzliche Unkenntnis, die fast ebenso unentschuldbar ist wie "strafbare Kenntnis". Seit der erste Bericht über englische Feindseligkeiten in China hier eintraf, haben die englischen Regierungsblätter und ein Teil der amerikanischen Presse die Chinesen fortgesetzt mit unzähligen Beschuldigungen überhäuft: summarische Anklagen wegen Verletzung von Vertragsverpflichtungen, Beleidigungen der englischen Flagge, Demütigung der in ihrem Lande lebenden Ausländer und dergleichen. Jedoch ist weder eine einzige klar umrissene Anklage vorgebracht, noch eine einzige Tatsache zur Bekräftigung dieser Beschuldigungen angeführt worden, mit Ausnahme des Falles der Lorcha "Arrow", und in diesem Falle hat man den Sachverhalt durch parlamentarische Redekunst so falsch dargestellt und beschönigt, daß jeder irregeführt werden muß, der sich ernsthaft bemüht, das Für und Wider dieser Frage zu begreifen. Die Lorcha "Arrow" war ein kleines chinesisches Schiff mit chinesischer Besatzung, das aber im Dienste einiger Engländer stand. Die Lorcha hatte eine befristete Lizenz erhalten, die englische Flagge zu führen, eine Lizenz, die noch vor der angeblichen "Beleidigung" erloschen war. Das Schiff soll zum Salzschmuggel verwendet worden sein. An Bord befanden sich einige recht üble Gestalten - chinesische Piraten und Schmuggler -, die als alte Verbrecher von den Behörden schon lange gesucht wurden. Während das Schiff mit beschlagenen Segeln bei Kanton vor Anker lag, ohne irgendeine Flagge zu führen, erfuhr die Polizei von der Anwesenheit dieser Verbrecher an Bord und verhaftete sie; genau das gleiche hätte sich hier ereignet, wenn unserer Hafenpolizei bekannt geworden wäre, daß sich Flußdiebe und Schmuggler auf einem einheimischen oder ausländischen Fahrzeug in der Nähe verborgen hielten. Da aber diese Verhaftung die Geschäfte der Eigentümer störte, ging der Kapitän zum britischen Konsul und beschwerte sich. Der junge, erst kürzlich ernannte Konsul, der, wie wir erfahren, ein Mensch von aufbrausender und reizbarer Gemütsart ist, stürzt in propria persona an Bord, gerät in einen aufgeregten Wortwechsel mit den Polizisten, die lediglich ihrer Pflicht nachgekommen sind, und erreicht folglich gar nichts. Von dort stürzt er zurück zum Konsulat, verlangt in einem Schreiben an den Generalgouverneur der Provinz Kwangtung kategorisch Wiedergutmachung und Entschuldigung und schickt eine Mitteilung an Sir John Bowring und Admiral Seymour in Hongkong, worin er darlegt, daß er und die Flagge seines Landes in unerträglicher Weise beleidigt worden seien, und in recht eindeutigen Worten zu verstehen gibt, daß nun der so lange erwartete Augenblick für eine militärische Demonstration gegen Kanton gekommen sei. Gouverneur Yeh antwortet höflich und ruhig auf die anmaßenden Forderungen des aufgeregten jungen britischen Konsuls. Er teilt den Grund für die Verhaftung mit und bedauert, wenn es in dieser Angelegenheit zu Mißverständnissen gekommen sein sollte. Gleichzeitig bestreitet er entschieden die leiseste Absicht, die britische Flagge zu beleidigen, und schickt die Leute zurück, die er, obwohl rechtmäßig verhaftet, nicht um den Preis eines so ernsten Mißverständnisses weiter in Haft behalten wolle. Aber das genügt Herrn Konsul Parkes nicht: Entweder erhalte er eine offizielle Entschuldigung und eine Wiedergutmachung in aller Form, oder Gouverneur Yeh müsse die Folgen tragen. Alsdann erscheint Admiral Seymour mit der britischen Flotte, und nun beginnt eine andere Korrespondenz: rechthaberisch und drohend von seiten des Admirals, kühl, ruhig und höflich von seiten des chinesischen Beamten. Admiral Seymour verlangt eine persönliche Unterredung in der Stadt Kanton. Gouverneur Yeh erklärt, dies stehe im Widerspruch zu allen bisherigen Gepflogenheiten, und Sir George Bonham hätte eingewilligt, daß eine solche Forderung nicht erhoben werden sollte. Notfalls würde er bereitwillig einer Unterredung zustimmen, die, wie üblich, außerhalb der Stadtmauern stattfinden oder den Wünschen des Admirals in jeder anderen Weise entsprechen sollte, sofern sie nicht chinesischen Gepflogenheiten und althergebrachter Etikette zuwiderliefen. Dies aber paßt dem kriegslüsternen Repräsentanten der britischen Macht im Osten nicht. Aus den hier kurz angeführten Gründen ist dieser in höchstem Grade ungerechte Krieg angezettelt worden; diese Feststellung wird durch die offiziellen Berichte, die jetzt dem englischen Volk vorliegen, vollauf bestätigt. Die harmlosen, friedlich ihrer Beschäftigung nachgehenden Bürger Kantons wurden niedergemetzelt, ihre Wohnstätten dem Erdboden gleichgemacht und die Gebote der Menschlichkeit mit Füßen getreten unter dem fadenscheinigen Vorwand, daß "Leben und Eigentum englischer Bürger durch das aggressive Vorgehen der Chinesen gefährdet sind"! Die britische Regierung und das britische Volk, zumindest der Teil, der sich veranlaßt gefühlt hat, sich mit der Frage zu beschäftigen, wissen, wie falsch und hohl 165> solche Beschuldigungen sind. Ein Versuch ist gemacht worden, die Untersuchung von der Hauptfrage abzulenken und im Volk die Vorstellung zu erwecken, eine lange Folge von Beleidigungen vor dem Zwischenfall mit der Lorcha "Arrow" bilde allein schon einen ausreichenden casus belli. Aber diese summarischen Behauptungen entbehren jeder Grundlage. Jedem Übergriff, über den sich die Engländer beschweren, halten die Chinesen mindestens neunundneunzig Übergriffe entgegen, über die sie Klage zu führen haben. Wie still ist doch die englische Presse zu den schändlichen Vertragsbrüchen, täglich von Ausländern begangen werden, die unter britischem Schutz in China leben. Wir hören nichts über den ungesetzlichen Opiumhandel, der Jahr für Jahr auf Kosten von Menschenleben und Moral die Kassen des britischen Schatzamtes füllt. Wir hören nichts über die ständigen Bestechungen untergeordneter Beamter, wodurch die chinesische Regierung um ihre rechtmäßigen Einkünfte aus der Wareneinfuhr und -ausfuhr betrogen wird. Wir hören nichts über die oft genug mit dem Tode endenden Quälereien, begangen an den irregeleiteten und versklavten Auswanderern, die in die schlimmste Sklaverei an den Küsten von Peru und in kubanische Knechtschaft verkauft werden. Wir hören nichts über die Einschüchterungsmethoden, die oft gegen die schüchternen Chinesen angewandt, oder über die Laster, die von Ausländern über die offenen Häfen eingeschleppt werden. Wir hören von alledem und vielen anderen Dingen nichts, weil erstens die meisten Menschen außerhalb Chinas sich wenig um die sozialen und moralischen Verhältnisse jenes Landes kümmern und weil zweitens Politik und Klugheit gebieten, keine Fragen aufzuwerfen, wenn keine finanziellen Vorteile dabei herausspringen. So schluckt das englische Volk, dessen Horizont nicht weiter reicht als bis zum Krämerladen, wo es seinen Tee kauft, bereitwillig alle Verdrehungen, die das Kabinett und die Presse ihm vorzusetzen belieben. Inzwischen ist in China der schwelende Haß, der sich während des Opiumkrieges gegen die Engländer entzündete, zu einer solchen Flamme der Feindseligkeit emporgelodert, daß höchstwahrscheinlich keinerlei Friedens- und Freundschaftserklärungen ihn löschen können. Marx, Karl. Whose atrocities ? A few years since, when the frightful system of torture in India was exposed in Parliament, Sir James Hogg, one of the Directors of the Most Honourable East India Company, boldly asserted that the statements made were unfounded. Subsequent investigation, however, proved them to be based upon facts which should have been well known to the Directors, and Sir James had left him to admit either "willful ignorance" or "criminal knowledge" of the horrible charge laid at the Company's doors. Lord Palmerston, the present Premier of England, and the Earl of Clarendon, the Minister of Foreign Affairs, seem just now to be placed in a similar unenviable position. At the late Lord Mayor's banquet, the Premier said, in his speech, while attempting to justify the atrocities committed upon the Chinese: "If the Government had, in this case, approved of unjustifiable proceedings, they had undoubtedly followed a course which deserved to incur the censure of Parliament and of the country. We were persuaded, however, on the contrary, that these proceedings were necessary and vital. We felt that a great wrong had been inflicted on our country. We felt that our fellow countrymen in a distant part of the globe had been exposed to a series of insults, outrages and atrocities which could not be passed over in silence (Cheers). We felt that the treaty rights of this country had been broken, and that those locally charged with the defence of our interests in that quarter of the world were not only justified, but obliged to resent those outrages, so far as the power in their hands would enable them to do so. We felt that we should be betraying the trust which the citizens of the country had reposed in us if we had not approved of the proceedings which we thought to be right, and which we, if placed in the same circumstances, should have deemed it our duty to have pursued (Cheers)." Now, however much the people of England and the world at large may be deceived by such plausible statements, his Lordship himself certainly does not believe them to be true, of if he does, he has betrayed a wilful ignorance almost as unjustifiable as "criminal knowledge." Ever since the first report reached us of English hostilities in China, the Government journals of England and a portion of the American Press have been heaping wholesale denunciations upon the Chinese — sweeping charges of violation of treaty obligations — insults to the English flag — degradation of foreigners residing on their soil, and the like; yet not one single distinct charge has been made or a single fact instanced in support of these denunciations, save the case of the lorcha Arrow, and, with respect to this case, the circumstances have been so misrepresented and glossed over by Parliamentary rhetoric as utterly to mislead those who really desire to understand the merits of the question. The lorcha Arrow was a small Chinese vessel, manned by Chinese, but employed by some Englishmen. A licence to carry the English flag had been temporarily granted to her, which licence had expired prior to the alleged "insult". She is said to have been used to smuggle salt, and had on board of her some very bad characters — Chinese pirates and smugglers — whom, being old offenders against the laws, the authorities had long been trying to arrest. While lying at anchor in front of Canton — with sails furled, and no flag whatever displayed — the police became aware of the presence on board of these offenders, and arrested them — precisely such an act as would have taken place here had the police along our wharves known that river-thieves and smugglers were secreted in a native or foreign vessel near by. But, as this arrest interfered with the business of the owners, the captain went to the English Consul and complained. The Consul, a young man recently appointed, and, as we are informed, a person of a quick and irritable disposition, rushes on board in propria persona, gets into an excited parley with the police, who have only discharged their simple duty, and consequently fails in obtaining satisfaction. Thence he rushes back to the Consulate, writes an imperative demand for restitution and apology to the Governor-General of the Kwangtung Province, and a note to Sir John Bowring and Admiral Seymour at Hong Kong, representing that he and his country's flag have been insulted beyond endurance, and intimating in pretty broad terms that now is the time for a demonstration against Canton, such as had long been waited for. Gov. Yeh politely and calmly responds to the arrogant demands of the excited young British Consul'. He states the reason of the arrest, and regrets that there should have been any misunderstanding in the matter; at the same time he unqualifiedly denies the slightest intention of insulting the English flag, and sends back the men, whom, although lawfully arrested, he desired not to detain at the expense of so serious a misunderstanding. But this is not satisfactory to Mr. Consul Parkes-he must have an official apology, and a more formal restitution, or Gov. Yeh must abide the consequences. Next arrives Admiral Seymour with the British fleet, and then commences another correspondence, dogmatic and threatening on the side of the Admiral; cool, unimpassioned, polite, on the side of the Chinese official. Admiral Seymour demands a personal interview within the walls of Canton. Gov. Yeh says this is contrary to all precedent, and that Sir George Bonham had agreed that it should not be required. He would readily consent to an interview, as usual, outside the walled town if necessary, or meet the Admiral's wishes in any other way not contrary to Chinese usage and hereditary etiquette. But this did not suit the bellicose representative of British power in the East. Upon the grounds thus briefly stated — and the official accounts now before the people of England fully bear out the statement — this most unrighteous war has been waged. The unoffending citizens and peaceful tradesmen of Canton have been slaughtered, their habitations battered it to the ground, and the claims of humanity violated, on the flimsy pretence that "English life and property are endangered by the aggressive acts of the Chinese!" The British Government and the British people — at least, those who have chosen to examine the question — know how false and hollow are such charges. An attempt has been made to divert investigation from the main issue, and to impress the public mind with the idea that a long series of injuries, preceding the case of the lorcha Arrow, form of themselves a sufficient causus belli. But these sweeping assertions are baseless. The Chinese have at least ninety-nine injuries to complain of to one on the part of the English. How silent is the press of England upon the outrageous violations of the treaty daily practiced by foreigners living in China under British protection! We hear nothing of the illicit opium trade, which yearly feeds the British treasury at the expense of human life and morality. We hear nothing of the constant bribery of sub-officials, by means of which the Chinese Government is defrauded of its rightful revenue on incoming and outgoing merchandise. We hear nothing of the wrongs inflicted "even unto death" upon misguided and bonded emigrants sold to worse than Slavery on the coast of Peru, and into Cuban bondage. We hear nothing of the bullying spirit often exercised against the timid nature of the Chinese, or of the vice introduced by foreigners at the ports open to their trade. We hear nothing of all this and of much more, first, because the majority of people out of China care little about the social and moral condition of that country; and secondly, because it is the part of policy and prudence not to agitate topics where no pecuniary advantage would result. Thus, the English people at home, who look no further than the grocer's where they buy their tea, are prepared to swallow all the misrepresentations which the Ministry and the Press choose to thrust down the public throat. Meanwhile, in China, the smothered fires of hatred kindled against the English during the opium war have burst into a flame of animosity which no tenders of peace and friendship will be very likely to quench. For the sake of Christian and commercial intercourse with China, it is in the highest degree desirable that we should keep out of this quarrel, and that the Chinese should not be led to regard all the nations of the Western World as united in a conspiracy against them. |
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