2008
Web
# | Year | Text | Linked Data |
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1 | 1949 |
Jaspers, Karl. Vom Ursprung und Ziel der Geschichte [ID D19283]. Jörg Dittmer : Getragen vom Bewusstsein der Zusammengehörigkeit der verschiedenen Menschheitskulturen hat Jaspers wie nur wenige andere Philosophen seiner Zeit sich bereits früh auch der Philosophie der nichteuropäischen Kulturen zugewandt und sie in vergleichender Perspektive in seine philosophiegeschichtlichen Darstellungen einbezogen. Auf der Suche nach einem empirisch verifizierbaren einheitlichen Bezugspunkt für eine Menschheitsgeschichte jenseits aller Nationalgeschichten und eurozentrischer Perspektiven stiess Jaspers auf den Zeitraum von 800 bis 200 v. Chr., den er zusammenfassend mit dem Begriff 'Achsenzeit' umschrieb und der nur für den Gläubigen zugänglichen traditionellen christlich-abendländischen Deutung von Christus als Achse der Weltgeschichte gegenüberstellte. In dieser Zeit sei "für alle Völker ein gemeinsamer Rahmen geschichtlichen Selbstverständnisses erwachsen... Es entstand der Mensch, mit dem wir bis heute leben." Materiale Voraussetzung dieser These ist zunächst die Beobachtung ausserordentlicher und in China, Indien und dem Abendland annähernd gleichzeitiger Entwicklungen, die Jaspers zunächst nur durch Nennung einiger Namen andeutet : "In China lebten Konfuzius und Laotse [Laozi], entstanden alle Richtungen der chinesischen Philosophie, dachten Mo-ti [Mozi], Tschuang-tse [Zhuangzi], Lie-tse [Liezi] und ungezählte andere, - in Indien entstanden die Upanischaden, lebte Budda, wurden alle philosophischen Möglichkeiten bis zur Skepsis und bis zum Materialismus, bis zur Sophistik und zum Nihilismus, wie in China, entwickelt..." In Japsers Sichtweise geht die so charakterisierte Achsenzeit an ihrem Ende in eine Phase der Konsolidierung über, in der die Lehrmeinungen fixiert und in grossen Universalreichen "zum Gegenstand von Schule und Erziehung" gemacht wurden (die Han-Dynastie konstituierte den Konfuzianismus, Asoka den Buddhismus, das Augusteische Zeitalter die bewusste hellenisch-römische Bildung)". Was aber auch nach dem Zerfall dieser Reiche am Ende blieb, war "die Spannung zum Geiste, der in der Achsenzeit erwachsen ist und von daher ständig wirksam wurde, indem er allem menschlichen Tun eine neue Fragwürdigkeit und Bedeutung gab". Jaspers sieht die Bedeutung der gemeinsamen Achsenzeit folgendermassen : "Von dem, was damals geschaffen und gedacht wurde, lebt die Menschheit bis heute. In jedem ihrer neuen Aufschwünge kehrt sie erinnernd zu jener Achsenzeit zurück, lässt sich von dorther neu entzünden." Das Phänomen der Renaissancen als "Erinnerung und Wiedererweckung der Möglichkeiten der Achsenzeit" schafft die Voraussetzung dafür, dass zwischen den drei Welten Chinas, Indiens und des Abendlandes "ein gegenseitiges Verstehen bis in die Tiefe möglich" ist. "Sie erkennen, wenn sie sich treffen, gegenseitig, dass es sich beim andern auch um das eigene handelt. Bei aller Ferne geschieht ein gegenseitiges Betroffensein." Die den drei Kulturen gemeinsame historische Bezugsgrösse aber, die mehr ist als das allem Menschlichen zugrundeliegende anthropologische Substrat und weniger als die historisch-individuelle Erscheinungsform einer der drei Kulturen oder ihrer Gestaltungen, versteht er als "Aufforderung zur grenzenlosen Kommunikation. Die anderen zu sehen und zu verstehen, hilft zur Klarheit über sich selbst, zur Überwindung der möglichen Enge jeder in sich abgeschlossenen Geschichtlichkeit, zum Absprung in die Weite" und wird so zum besten "Mittel gegen die Irrung der Ausschliesslichkeit einer Glaubenswahrheit" religiöser oder weltanschaulich-ideologischer Art. |
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