# | Year | Text |
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1 | 1936 |
Brecht, Bertolt. Me-ti : Buch der Wendungen [ID D12783].
Das früheste Dokument über Me-ti ist Brechts briefliche Anfrage von 1935 an Helene Weigel "Hast Du den Me-ti schon geholt?" Brecht schreibt : Sich im Gleichgewicht halten, sich anpassen ohne sich aufzugeben : das kann ein Zweck des Philosophierens sein. Wie ein Wasser sich stille hält, damit es vollkommen den Himmel spiegelt, Wolken und überhängende Zweige, auch bewegte Vogelschwärme… - so kann ein Mensch seine Lage suchen, in der er die Welt spiegelt, sich ihr zeigt und mit ihr auskommt. Liu Weijian : Wenn das Tao verlorengegangen ist, kommt die Gesellschaft in Unordnung. Um der Unordnung entgegenzuwirken und sie unter Kontrolle zu bringen, versuchen die Menschen, Tugenden zu propagieren. Diese Auffassung von Tugenden ist ein Punkt, an den Brecht anknüpft. Brecht schreibt : Es gibt wenige Beschäftigungen, sagt Me-ti, welche die Moral eines Menschen so beschädigen wie die Beschäftigung mit Moral. Ich höre sagen : Man muss wahrheitsliebend sein, man muss seine Versprechen halten, man muss für das Gute kämpfen… Wie die Tugenden sind auch die Gesetze bei Laozi keine Beweise einer hochstehenden Sittlichkeit. In ihnen spiegeln sich vielmehr die schlechten Verhältnisse wieder, die sie nötig machen. Brecht glaubt ebenfalls, dass die Entstehung der Gesetze die soziale Ungerechtigkeit reflektiert, weil sie sonst überflüssig werden. Er schreibt : Ohne Ungerechtigkeit zu spüren, wird man auch keinen besonderen Gerechtigkeitssinn entwickeln… Brecht diskutiert über die taoistische Eigenliebe und die Ansicht von Yang Zhu. Dabei unterscheidet er Eigenliebe von Egoismus. Brechts Egoismusbegriff entspricht den taoistischen Begriffen von der Selbstsucht und der unersättlichen Natur. Wie Laozi und Yang Zhu kritisiert Brecht einerseits egoistische Selbstsucht und bejaht andererseits die Eigenliebe. Er meint, dass der Mangel an Eigenliebe dem Menschen selbst Elend bringt. Er geht nicht wie Yang Zhu davon aus, nur sich selbst zu schützen, sondern davon, zuerst die Gesellschaft zu verändern, um einen harmonischen Zustand zwischen dem Nutzen des Einzelnen und dem Nutzen der Gemeinschaft zu realisieren. Das zeigt sich sowohl in seiner Ansicht über die Bekämpfung des Egoismus wie auch in seiner Meinung zur Verwirklichung der Eigenliebe. Er schreibt : Yang-tschu [Yang Zhu] lehrte : Wenn man sagt : der Egoismus ist schlecht, so denkt man an einen Zustand des Staates, in dem er sich schlecht auswirkt. Ich nenne einen solchen Zustand des Staates schlecht. Wenn man keinen Egoismus haben will, dann muss man nicht gegen ihn reden, sondern einen Zustand schaffen, wo er unnötig ist. Gerwig Epkes : Ende 1920er Jahre : Bertolt Brecht hat sich mit Mozi befasst : Hanns Eisler schreibt, dass ihm Brecht das Buch Forke, Alfred. Mê Ti des Sozialethikers und seiner Schüler philosophische Werke [IDD 669] gezeigt hat. Brecht übernimmt die Darstellungsweise des Mozi und diskutiert dessen Aussagen vor westlichem Hintergrund. Christoph Gellner : Das Buch Me-ti, ganz im „chinesischen Stil geschrieben“, ist zweifellos ein Höhepunkt von Brechts Auseinandersetzung mit chinesischer Philosophie während des Exils. Obwohl die Sammlung von annähernd 300 Aphorismen, Sentenzen und Miniaturparabeln wie die meisten seiner Prosa- und Romanprojekte Fragment geblieben ist, gelten die Schubladentexte des Me-ti als ein ethisch-ästhetisch zentraler Werkkomplex. Handelt es sich doch um das einzige, erst aus dem Nachlass veröffentlichte Werk, in dem sich Brecht näher und konkreter über die Inhalte seines utopischen Denkens geäussert hat. Nicht von ungefähr steht die Vision einer solidarischen Zukunftsgesellschaft, in der heroische Tugendanstrengungen als erzwungene Leistungen entbehrlich sind, im Zentrum. Als Formmuster griff Brecht dabei wiederum auf eine höchst unzeitgemässe Literaturtraditon zurück, in der Dichtung, wie im alten China, noch nicht von Wissenschaft und Philosophie, von Moral-, Weisheits- und Verhaltenslehre abgesondert war. Das Ergebnis ist eine für Brecht typische Mischung aus alter und neuer Weisheit… Vorwiegend handelt es sich um aktuelle europäische Fragestellungen und Ereignisse der jüngsten Vergangenheit, die durch den aphoristisch-sophtegmatischen Weisheitsgestus altchinesischer Philosophie kunstvoll ein falsches Alter gewinnen. So bezieht sich einer der zentralen Themenkomplexe auf die in den dreissiger Jahren unter den exilierten Linken aufgebrochenen Differenzen hinsichtlich des Aufbaus des Sozialismus (der „Grossen Ordnung“) in der Sowjetunion und der Verwandlung der marxistischen Dialektik in eine von der Moskauer Parteibürokratie verwaltete Rechtfertigungsideologie des Sowjetkommunismus. In chinesischem Gewande versammelt sind die „Klassiker“ des Marxismus Hegel (Meister Hü-jeh), Marx (Ka-meh), Engels (Meister Eh-fu), Rosa Luxemburg (Sa), Karl Korsch (Ka-osch) sowie Lenin (Mi-en-leh), Trotzki (To-tsi) und Stalin (Ni-en). Brecht sieht sich selbst in Gestalt des Me-ti… „Ein Staat, so lehrt Me-ti, muss so eingerichtet sein, dass zwischen dem Nutzen des Einzelnen und dem Nutzen der Allgemeinheit kein Unterschied ist. Je grösser dann der Nutzen des Einzelnen wird, desto grösser ist der Gemeinnutz“. Mozi thematisiert die Ethik als Teil der Staatslehre in engstem Zusammenhang von Politik und Ökonomie, während die abstrakte, individuelle Ethik bei ihm keine besondere Behandlung erfährt… Me-ti wiederholt nicht einfach die alten Weisheiten, er radikalisiert vielmehr dessen materialistischen Ansätze und anklingende sozialistische Ideen unter dezidiert marxistischem Vorzeichen. „Es gibt wenige Beschäftigungen sagt Me-ti, welche die Moral eines Menschen so beschädigen wie die Beschäftigung mit Moral. Ich höre sagen : Man muss wahrheitsliebend sein, man muss seine Versprechungen halten, man muss für das Gute kämpfen“. Adrian Hsia : Brecht beginnt in den 1920er Jahren Material für das Buch Me-ti zusammenzutragen. Im Wesentlichen spielt die Handlung in einem märchenhaften China, das von einigen schein-chinesischen Namen dekoriert wird, um aber aktuelle Ereignisse in der Sowjetunion und Deutschland darzustellen. Brecht selbst sagt, dass er eine Anzahl von relevanten zeitgenössischen Geschehnissen ausgewählt habe, um diese den grundlegenden Anschauungen des chinesischen Philosophen gegenüberzustellen bzw. mit ihnen zu vergleichen. Der Zweck der Gegenüberstellung ist, eine uralte Quelle des Sozialismus zu finden und die chinesischen Weisheiten und Verhaltensregeln für die moderne Gesellschaft nutzbar zu machen, denn Brecht war der Meinung, dass Marx und Engels zwar grosse Theorien geschaffen hätten, doch hätten sie das vernachlässigt, womit sich chinesische Philosophen fast ausschliesslich befasst haben, nämlich mit den zwischenmenschlichen Beziehungen, den Verhaltensweisen des täglichen Lebens. Aus dieser Sicht her gesehen, stellt Me-ti eine Kombination der Anschauungen von Marx und Engels, Brecht selbst, Mozi und nicht zuletzt auch von Konfuzius dar. Auch Laozi kann man in Me-ti finden. Laozi ist der Meinung, dass Tugenden nur unter einer schlechten Regierung notwendig seien. Ähnliches sagt auch Yang Zhu, der den Egoismus im Sinne der Selbstliebe befürwortet. Brecht übernimmt die Ansichten Laozis und Yang Chus. Ye Fang-xian : Brecht führt mehrmals die Unmoral auf den elenden Zustand der Gesellschaft zurück. Im Hinblick auf die Gesellschaftskritik, besonders auf die Beziehung zwischen der Moral und den ökonomischen Verhältnissen, kann man auf viele Ähnlichkeiten zwischen Mozi und Brecht hinweisen. Trotzdem darf man nicht behaupten, dass ihre Gedanken übereinstimmen. Einen wesentlichen Unterschied zeigen ihre Auffassungen von Liebe. Mozi siehe keinen Konflikt zwischen Nächstenliebe und Eigenliebe. Er glaubt in der allumfassenden gegenseitigen Liebe ein Mittel zur Herstellung der idealen Wohlstandsgesellschaft ohne Konflikt und Armut. Brecht verwandelt das göttliche Gebot der Nächstenliebe in eine idealistische Moral und kehrt zugleich die Götter aus dem biblischen Motiv in die Verteidiger einer schlechten Gesellschaftsordnung und schliesslich in Angeklagte… Obwohl Brechts Hauptinteresse sich auf die Natur der kapitalistischen Gesellschaft richtet, wird Shen Te als ein Mensch dargestellt, der von Natur aus gut ist… Der Gegensatz zwischen der guten Natur Shen Tes und den schlechten Verhältnissen der Gesellschaft ist die Grundlinie des Parabelstücks… Was für die Reichen gute Natur ist, ist für die Armen böse. In diesem Sinne stimmt Brechts Darstellung mit dem Marxismus überein. Wenn sich Brecht mit der Lehre Mengzis beschäftigt hat, hat er sie in den Mund der Götter gesetzt und sie damit in Frage gestellt. Obwohl ihre Ansatzpunkte ähnlich sind : der Mensch sei von Natur aus gut, sind ihre Weltanschauungen oppositionell… Bei Mengzi soll die chaotische Welt durch die vom Gott bestimmten Menschen mit guter Natur gerettet werden… Die Zitate aus den chinesischen Schriften sind in diesem Werk besonders augenfällig. Brechts Auseinandersetzung mit chinesischer Philosophie und seine Behandlung der westlichen kulturellen Tradition sind untrennbar integriert. Yim Han-soon : Die Reduktion des philosophischen Denkens auf die Meditation bemängelt Brecht mit dem Bild des Wassers, das er wahrscheinlich dem Zhuangzi entnommen hat. In bezug auf die „Verurteilung der Konfuzianer“ von Mo Di setzt sich Brecht mit dem Grundsatz der Institution Familie auseinander, indem er die Familienidee von Konfuzius den Argumenten Mo Dis für die „einigende Liebe“ im Sinne eines sozialistischen Organisationsprinzips entgegenstellt. Das chinesische Motiv dient freilich nur zur Verkleidung einer kommunistischen Idee : Die traditionelle Funktion der Famlie soll von einem sozialistischen Kollektiv übernommen werden. Der eigentliche Standort der Auseinandersetzung zwischen Kung und Me-ti ist nicht das chinesische Altertum, sondern das widersprüchliche Familienleben des Bürgertums. Kung und Me-ti leben im Zeitalter des Klassenkampfes, in dem das Familienleben in herkömmlicher Form unmöglich geworden ist. Ohne die anarchistische Grundhaltung Yang Zhus zu teilen, übernimmt Brecht von ihm die Ansicht, dass Uneigennützigkeit, Mangel an Eigenliebe, sowohl den Mitmenschen als auch den betreffenden einzelnen schädlich sei. Yang Zhus Egoismus bedeutet Enthaltsamkeit und Rückkehr von der Gesellschaft zu einem selbstgenügsamen Privatleben, während Brecht die Eigenliebe gerade zur Entfaltung der gesellschaftlichen Produktivität und zum materiellen Genuss des einzelnen befürwortet. Er schreibt : „Wie soll man den Egoismus bekämpfen ? Ein Staat muss so eingerichtet sein, dass zwischen dem Nutzen des Einzelnen und dem Nutzen der Allgemeinheit kein Unterschied ist“. Von den verwendeten chinesischen Elementen her betrachtet, ist Me-ti ein Sammelwerk, in dem das selektiv-positive Verhältnis Brechts zur chinesischen Philosophie deutlich zum Vorschein kommt. Er übernimmt grundsätzlich diejenigen Ansätze, die im positiven Sinne nutzbar und aktualisierbar sind. |
2 | 1936-1937 |
Erwin Wickert reist nach New York, Kalifornien, Japan, Korea, in die Mandschurei und den Norden Chinas.
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3 | 1936 |
Teng Ssu-yü wird Forschungs-Assistent von John K. Fairbank.
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4 | 1936 |
Eich, Günter. Katharina. (Leipzig : P. List, 1936). (Lebendiges Wort ; 28).
Wei Maoping : Die Einheit von Natur und Mensch wird in dieser Erzählung vergleichend mit dem Tier dargestellt. Eichs Vorliebe für Tiere zeigt sich besonders in der Anwendung des Verwandlungsmotivs. |
5 | 1936 |
Ch'en Shou-yi ist Gastprofessor am Pomona College, California und forscht an der Huntington Library in San Marino und der Library of Congress.
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6 | 1936 |
A. Doak Barnett verlässt mit seiner Familie China und reist nach New York.
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7 | 1936-1937 |
George E. Taylor ist Tutor an der University of London External Division.
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8 | 1936 |
Vincenz Hundhausen, der mit einer Truppe chinesischer Schauspieler aus Beijing Zürich besucht, trifft Thomas Mann in Küsnacht.
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9 | 1936 |
Thomas Mann liest im Schlafwagen Wien-Zürich den „bei Fischer erschienenen chinesischen Roman, der mich amüsierte, ohne mich auf die Dauer zu fesseln“. Es handelt sich vermutlich um den chinesischen Roman Dschung Kue : oder die Bezwinger der Teufel [ID D14741], der einzige chinesische Roman der bis 1936 im Fischer-Verlag erschienen ist und der Titel wird im Kommentar zum Tagebuch-Band 1935-1936 erwähnt.
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10 | 1936 |
Mann, Thomas. Freud und die Zukunft. (Wien : Bermann-Fischer, 1936). = Sigmund Freud und die Zukunft. In : Imago : Zeitschrift für psychoanalytische Psychologie ; Bd. 22 (1936).
Christiane Gabriel : Thomas Mann entwickelt seine Vorstellung von einer Verbindung zwischen der Psychoanalyse und dem Geist des Ostens systematisch und berücksichtigt auch die sich daraus ergebenden peotologischen Aspekte. Er beruft sich vor allem auf C.G. Jung, der in seiner Bearbeitung des Tibetanischen Totenbuchs [ID D14734], das intuitive Wissen östlicher Erkenntnislehren um die menschliche Seele, um das sich die westliche Psychoanalyse wissenschaftlich bemühe, hervorhebt. |
11 | 1936 |
Qiao Guanhua promoviert in Philosophie an der Universität Tübingen und engagiert sich in der antiimperialistischen Bewegung der chinesischen Studenten in Berlin.
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12 | 1936 |
Chen, Quan. Cong Shubenhua dao Nicai [ID D15102].
Chen Quan schreibt : Was die politischen Ideen Nietzsches betrifft, so können wir mehrere Gesichtspunkte sehen, nämlich : Staat, Krieg, Demokratie und Sozialismus. Auf solche Fragen gab Nietzsche je eine klare und feste Antwort. Er hat die Schwäche westlicher Kultur erkannt und danach eine neue Welt vorgestellt, die fortschrittlich, gesund, stark und voll Leben sein wird. Er wagte es, alle traditionellen Auffassungen herauszufordern und alle Werte neu zu bewerten, um diese neue Welt in die Tat umzusetzen. Der Übermensch ist ein idealer Mensch, ein Genie und auch ein Führer der Menschen. Der Übermensch ist auch der Reformator einer Gesellschaft, ein mutiger Kämpfer. Der moderne Staat, die politische Institution und juristische Regelung verhindern die Entfaltung eines Genies, berauben den Führer seiner Freiheit. Nietzsche war gegen den modernen Staat, denn die moderne Staatsorganisation war nicht geeignet für eine Entwicklung des Übermenschen. Wenn der Übermensch in einer neuen Staatsorganisation allein herrschen könnte, die den Willen zur Macht symbolisiert, so müsste Nietzsche auch mit solch einer stattlichen Organisation zufrieden sein. Nietzsche war der Ansicht, dass Mann und Frau in geistiger Hinsicht ganz verschieden seien. Er sieht den Mann als Kraft an und die Frau als Gefühl. Zur Kraft gehören Eroberung, Zerstörung und Aufbau. In diesem Sinne stellt eine Kraft Trost dar, der aber gefüllos ist. Kraft kann sich nicht ausruhen und entwickeln. Deshalb besteht die Aufgabe für einen Mann zu Kämpfen. Die Frau sollte dem Mann einen Trost geben, damit er seine Kräfte zum Kampf bewahren kann. Für den Mann ist die Frau absolut notwendig. Ihre Mächte sind auch sehr gross. Aber ihre grossen Kräfte sind jedoch nicht vom selbständigen Handeln bestimmt, sondern sie liegen in der Bereitschaft, dabei zu helfen. Chen Quan schreibt : In The birth of tragedy, Nietzsche told us that the world of suffering is in dire need for the art of tragedy. Only through the art of tragedy, can an individual have illusory images of release, can he immerse himself in observing these illusory images, as if sitting peacefully in a boat, swaying in the sea. It ist unlikely that Schopenhauer himself would have agreed to such a modification and interpretation of his philosophy. Lin Tongji schreibt im Vorwort : Ich finde, es soll die beste Lösung sein, wenn man Nietzsche als Künstler ansieht. Nietzsches Denken ! Dieses Thema kann man kaum erwähnen. Nietzsche kann zu einem der grössten modernen Denker, die von der Welt missverstanden werden, gezählt werden. Der Beschimpfende missversteht ihn. Auch der Respektierende missversteht ihn. Wo ist denn der Fehler ? Man hat eins vergessen : Nietzsches Texte sind Kunst. Du solltest in der Kunstatmosphäre Nietzsche begegnen, um sein Denken als Denken zu verstehen. He Lin : Der Autor meint, dass die Ursache dafür, dass Nietzsche zunächst Schopenhauer verehrte, darin liege, dass er den damals weit verbreiteten Optimismus des Philisters abgelehnt habe. Er habe verucht im Sinne des Pessimismus Schopenhauers seinen Zeitgenossen das Wesen des Lebens näherzubringen. Es sei offensichtlich, dass Nietzsches und Schopenhauers Absichten von Anfang an unterschiedlich gewesen seien. Mit der Zeit habe sich Nietzsche von den Lehren Schopenhauers abgewandt, da er erkannt habe, dass der Pessimismus Schopenhauers lediglich das Leid des menschlichen Lebens vor Augen stellte, ohne jedoch den Menschen dazu anzuregen, sich im Sinne der griechischen Tragödie aktiv zu erheben. Er verführe ihn vielmehr zu einer niedergeschlagenen, dekadenten Haltung, so wie auch die Opern Richard Wagners die Zuschauer betäubten. Nietzsche sei dafür eingetreten, mit dem reinen Optimismus und dem reinen Pessimismus zu brechen und den blossen Willen zur Existenz durch den Willen zur Macht zu ergänzen, zu diesem überzugehen und schliessich den ‚Übermenschen’ zu realisieren. Der Übermensch sei ein idealisierter Mensch, ein Genie, der Führer der Menschheit, ein Reformer der Gesellschaft und ein tapferer Kämpfer. Chen Quan weist darauf hin, dass Nietzsche einen von Schopenhauer abweichenden Standpunkt Frauen betreffend vertrat. Nietzsche sei der Meinung gewesen, die Frau solle ihre eigene Persönlichkeit behalten und sich nicht wie ein heuchlerischer Mann verhalten. Die Bedeutung des Lebens läge nicht darin, das Ich zu unterdrücken, sondern darin, es zu entwickeln ; nicht darin, die anderen zu trösten, sondern darin, sie zu besiegen. Nietzsche habe die Ansicht vertreten, die traditionellen moralischen Normen seien weder von Gott erlassen noch natürlich gewachsen, sondern seien von schwachen und unfähigen Menschen geschaffen worden. Um sich selbst zu schützen, versuchten diese, mit diesen Normen die grossen Menschen in Fesseln zu halten und zu unterdrücken. Zuletzt ist Chen Quan auf Nietzsches Angriff gegen das Christentum und seine Befürwortung des Atheismus eingegangen. Yu Longfa : Nietzsches Werk scheint Chen Quan ein geeignetes Instrument für die Rettung seines Landes nach Kämpfern, Übermenschen und Genies zu suchen. In Ermangelung des richtigen Verständnisses des Zarathustra hat er allerdings den Übermenschen nicht im Sinne Nietzsches interpretiert. Chen Quans Vermittlung der Anschauungen Nietzsches über Politik und Staatswesen sind ziemlich beschränkt. Obwohl Nietzsche nicht allseitig auf die Politik eingegangen war, war er bemüht, das Prinzip der Demokratie und des Sozialismus im modernen Staat, insbesondere das Gleichheitsprinzip, in Frage zu stellen und ein ideales Vorbild des Übermenschen vorzustellen, der stark von der Einsamkeit, der höchsten Form der Ungleichheit, geprägt ist, was Chen Quan nicht berücksichtigt hat. Chens Vermittlung der Ansichten Nietzsches über die Frauen konzentrieren sich im wesentlichen auf die soziale Nebenrolle, die besonders in der antijapanischen Zeit eine andere Bedeutung als die Nietzsches erhält. Man versuchte damals, jeweils etwas Nützliches aus Nietzsches Werk herauszusuchen, um indirekt seine politische Stellungnahme zum Zeitgeschehen auszudrücken. Chen Quans Vorstellung von Nietzsches Werk zeugt weiterhin ein entstelltes Bild in China. Shao Lixin : Chen Quan created a Nietzsche that was shamelessly immoral and philosophically unintelligent. He then glorified his own creation. According to Chen Quan, Nietzsche characterized Schopenhauer's 'ideal man' in the follwing words : He ist always ready to be the first to sacrifice himself for the sake of truth, thouth being fully aware that truth carries the seeds of suffering. Certainly his courage will destroy his wordly happiness. He must hate the mankind he loves and the society from which he has come. He must destroy those men and things without mercy, even though he feels sorrow for them. He will be misunderstood. He will be regarded as a comrade to the forces which he loathes. The masses will consider his opinions wrong. But he must fight for justice. |
13 | 1936-1937 |
James M. Bertram studiert Chinesisch an der Yanjing-Universität in Beijing und reist als Korrespondent des London Daily Herald nach Yan'an.
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14 | 1936 |
William H. Hinton reist als Reporter einer englischsprachigen Zeitung in Tokyo nach Korea, China, Russland, Polen, Deutschland und Amerika.
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15 | 1936-1940 |
Kenneth K.S. Ch'en ist Instructor in Chinese an der University of Hawaii.
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16 | 1936 |
James R. Hightower graduiert in Chemie an der University of Colorado, Boulder.
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17 | 1936-1937 |
James R. Hightower studiert Chinesisch an der Universität Heidelberg und an der Sorbonne Paris und schreibt Gedichte.
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18 | 1936 |
Lucian W. Pye kehrt nach der Volkschule in Oberlin, Ohio, nach China zurück.
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19 | 1936 |
[Fichte, Johann Gottlieb]. Zhi shi xue ji chu. Cheng Shiren yi [ID D19563].
Liang Zhixue ; Shen Zhen : Obgleich diese Übersetzung einige Mängel aufweist, erweckte sie doch grosses Interesse an einer gründlichen Untersuchung des transzendentalen Idealismus. |
20 | 1936 |
Heidegger, Martin. Vorlesung SS 1936.
Eckard Wolz-Gottwald : Heidegger glaubt, dass der Ursprung der abendländischen Philosophie in der 'Überwindung' des Asiatischen zu orten sei und die 'Bewahrung der europäischen Völker vor dem Asiatischen' zur zentralen Aufgabe gegenwärtigen Denkens erhebt. |