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Year

1858

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Marx, Karl. Freihandel und Monopol.
Die Übernahme des Opiummonopols in Indien durch die britische Regierung hatte die Ächtung des Opiumhandels in China zur Folge. Die grausamen Strafen, die der himmlische Gesetzgeber über die widerspenstigen Untertanen verhängte, waren genauso unwirksam wie das strenge Einfuhrverbot, das den chinesischen Zollämtern auferlegt wurde. Die nächste Auswirkung des moralischen Widerstandes der Chinesen war die Demoralisierung der kaiserlichen Behörden, der Zollbeamten und der Mandarine überhaupt durch die Engländer. Die Korruption, die die himmlische Bürokratie bis ins Mark angefressen hatte und die Stützen der patriarchalischen Ordnung zerstörte, wurde zusammen mit den Opiumkisten von den englischen Speicherschiffen, die bei Whampoa vor Anker lagen, in das Reich geschmuggelt.
Von der Ostindischen Kompanie hochgepäppelt, von der Zentralregierung in Peking vergeblich bekämpft, nahm der Opiumhandel allmählich immer größeren Umfang an, bis er im Jahre 1816 zweieinhalb Millionen Dollar verschlang. Die Einführung des freien Handels in Indien in jenem Jahr, mit dem Teehandel als einziger Ausnahme, der weiterhin ein Monopol der Ostindischen Kompanie blieb, gab den Geschäften der englischen Schmuggler einen neuen mächtigen Auftrieb. 1820 hatte sich die Anzahl der Kisten, die nach China eingeschmuggelt wurden, auf 5147 erhöht, 1821 auf 7000 und 1824 auf 12639. Indessen richtete die chinesische Regierung scharfe Protestnoten an die ausländischen Kaufleute, bestrafte gleichzeitig die als ihre Helfershelfer bekannten Hong-Kaufleute, entwickelte eine ungewöhnliche Aktivität in der Verfolgung der einheimischen Opiumkonsumenten und führte in ihren Zollämtern strengere Maßnahmen ein. Diese Bemühungen hatten ähnlich wie die Bemühungen im Jahre 1794 zur Folge, daß die Opiumdepots von einer unsicheren nach einer geeigneteren Operationsbasis verlegt werden mußten. Makau und Whampoa wurden zugunsten der Insel Lintin an der Mündung des Kantonflusses aufgegeben, um dort die Opiumdepots endgültig in schwer bewaffneten und gut bemannten Schiffen zu stationieren. Ebenso ging der Handel nur von einer Hand in die andere über, als es der chinesischen Regierung vorübergehend gelang, die Opiumgeschäf te der alten Kantoner Häuser zu unterbinden; er wurde von einer Schicht kleinerer Händler übernommen, die entschlossen waren, ihn bei jedem Risiko und mit allen Mitteln weiterzuführen. Dank den dadurch geschaffenen Erleichterungen stieg der Opiumhandel in den zehn Jahren von 1824 bis 1834 von 12 639 auf 21 785 Kisten. Das Jahr 1834 ist, ebenso wie die Jahre 1800, 1816 und 1824, ein Wendepunkt in der Geschichte des Opiumhandels. In diesem Jahr verlor die Ostindische Kompanie nicht nur ihr Handelsprivileg für chinesischen Tee, sondern sie mußte auch jegliche Handelstätigkeit überhaupt einstellen. Durch ihre Umwandlung aus einem Handelsunternehmen in eine rein staatliche Einrichtung erlangte das englische Privatunternehmertum unbeschränkten Zugang zum Handel mit China und betrieb ihn mit solcher Energie, daß es ihm im Jahre 1837 gelang, 39 000 Kisten Opium im Werte von 25 Millionen Dollar nach China zu schmuggeln, trotz des verzweifelten Widerstandes der himmlischen Regierung. Zwei Umstände sind hier besonders zu beachten: erstens, daß mit jeder Etappe in der Entwicklung des chinesischen Außenhandels seit 1816 ein unverhältnismäßig großer Anteil in ständigsteigendem Maße auf den Opiumschmuggel entfiel; und zwei -tens, daß Hand in Hand mit dem allmählichen Erlöschen des rein merkantilen Interesses der englisch-indischen Regierung am Opiumhandel ihr fiskalisches Interesse an diesem Schleichhandel an Bedeutung zunahm.
Schließlich war die chinesische Regierung im Jahre 1837 an dem Punkt angelangt, wo entscheidende Maßnahmen nicht länger hinausgezögert werden konnten. Der ständige Abfluß von Silber durch die Opiumimporte hatte bereits begonnen, sowohl den Finanzhaushalt als auch die Geldzirkulation des himmlischen Reiches zu desorganisieren. Ssü Nai-ds', einer der hervorragendsten chinesischen Staatsmänner, schlug vor, den Opiumhandel zu legalisieren und ihn zu einer Einnahmequelle zu machen; aber nach einer ausführlichen Beratung, die sich unter Beteiligung aller hohen Beamten des Kaiserreichs über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr hinzog, beschloß die chinesische Regierung: "Der schändliche Handel ist wegen der Schäden, die er dem Volk zufügt, gesetzlich nicht zuzulassen." Schon 1830 hätte ein Einfuhrzoll von 25 Prozent Einnahmen von 3 850 000 Dollar eingebracht. Im Jahre 1837 hätte er die doppelte Summe erbracht; der himmlische Barbar lehnte es jedoch ab, eine Steuer zu erheben, die proportional zur Entartung seines Volkes steigen würde. Unter weit bedrückenderen Verhältnissen und in vollem Bewußtsein der Aussichtslosigkeit aller Bemühungen, den steigenden Opiumimport aufzuhalten, beharrte der jetzige Kaiser Ssjän Fang im Jahre 1853 auf der unnachgiebigen Politik seiner Vorfahren. En passant möchte ich bemerken, daß der Kaiser durch die Verfolgung des Opiumgenusses als Ketzerei alle Mittel der religiösen Propaganda gegen diesen Handel anwenden konnte. Die außerordentlichen Maßnahmen der chinesischen Regierung in den Jahren 1837, 1838 und 1839, die in der Ankunft des Bevollmächtigten Lin in Kanton ihren Höhepunkt fanden, und die Beschlagnahme und Vernichtung des eingeschmuggelten Opiums auf dessen Befehl lieferten den Vorwand für den ersten englisch-chinesischen Krieg. Die Ergebnisse dieses Krieges führten zum chinesischen Aufstand, zur äußersten Erschöpfung der Staatskasse, zum erfolgreichen Eindringen Rußlands vom Norden her und zur Entwicklung des Opiumhandels im Süden in riesigen Ausmaßen.
Obgleich geächtet in dem Vertrag, durch den England einen Krieg beendete, der zur Verteidigung des Opiumhandels begonnen und geführt worden war, hat sich dieser praktisch seit 1843 völliger Straflösigkeit erfreut. Der Import wurde 1856 auf ungefähr 35 Millionen Dollar geschätzt, während die englisch-indische Regierung im gleichen Jahr Einkünfte in Höhe von 25 Millionen Dollar, genau den sechsten Teil ihres gesamten Staatseinkommens, aus dem Opiummonopol bezog. Die Vorwände, die dem zweiten Opiumkrieg als Anlaß dienten, sind noch zu frisch in Erinnerung, um eines Kommentars zu bedürfen.
Wir können diesen Teil des Themas nicht abschließen, ohne auf einen offenkundigen inneren Widerspruch der sich christlich drapierenden und mit Zivilisation hausierenden britischen Regierung näher einzugehen. In ihrer Eigenschaft als Empire-Regierung stellt sie sich, als hätte sie nicht das geringste mit dem Opiumschmuggel zu tun, ja, sie geht sogar Verträge zu dessen Ächtung ein. In ihrer Eigenschaft als indische Regierung jedoch zwingt sie Bengalen zur Opiumgewinnung, sehr zum Schaden für seine Produktivkräfte, zwingt sie einen Teil der indischen Pächter, zum Mohnanbau überzugehen, während ein anderer Teil durch Geldvorschüsse dazu verleitet wird, hält sie die massenweise Herstellung des verderblichen Rauschgifts als straffes Monopol in ihren Händen, überwacht sie mit einer ganzen Armee von offiziellen Spitzeln seine Anpflanzung, seine Ablieferung an den vorgeschriebenen Orten, seine Eindickung und Präparierung für den Geschmack der chinesischen Konsumenten, seine Verpackung in einer für den Schmuggel besonders geeigneten Form, und schließlich seinen Transport nach Kalkutta, wo es auf staatlichen Auktionen versteigert und von den Staatsbeamten den Spekulanten eingehändigt wird, um von da aus in die Hände der Schmuggler zu gelangen, die es in China an Land schaffen. Die Kiste, die die britische Regierung ungefähr 250 Rupien kostet, wird auf der Auktion in Kalkutta zu einem Preis verkauft, der zwischen 1210 und 1600 Rupien schwankt. Aber noch nicht zufrieden mit dieser faktischen Teilhaberschaft, ist die gleiche Regierung bis zum heutigen Tage direkt am Profit- und Verlustgeschäft der Kaufleute und Schiffsherren beteiligt, die das gewagte Geschäft betreiben, ein ganzes Reich zu vergiften.
Das Budget der britischen Regierung in Indien ist in der Tat nicht nur von dem Opiumhandel mit China, sondern von dem ungesetzlichen Charakter dieses Handels abhängig gemacht worden.
Würde die chinesische Regierung den Opiumhandel legalisieren und gleichzeitig den Mohnanbau in China zulassen, so würde die englisch-indische Staatskasse eine ernste Katastrophe erleiden. Während sie öffentlich den Freihandel mit Gift predigt, bewahrt sie insgeheim das Monopol seiner Herstellung. Wenn wir das Wesen des britischen Freihandels genau untersuchen, so stellt sich fast immer heraus, daß seiner "Freiheit" das Monopol zugrunde liegt.

Marx, Karl. Free trade and monopoly.
It was the assumption of the opium monopoly in India by the British Government which led to the proscription of the opium trade in China. The cruel punishments inflicted by the Celestial legislator upon his own contumacious subjects, and the stringent prohibition established at the Chinese custom-houses proved alike nugatory. The next effect of the moral resistance of the Chinaman was the demoralization, by the Englishman, of the Imperial authorities, custom-house officers and mandarins generally. The corruption that ate into the heart of the Celestial bureaucracy, and destroyed the bulwark of the patriarchal constitution, was, together with the opium chests, smuggled into the Empire from the English storeships anchored at Whampoa.
Nurtured by the East India Company, vainly combated by the Central Government at Pekin, the opium trade gradually assumed larger proportions, until it absorbed about $2,500,000 in 1816. The throwing open in that year of the Indian commerce, with the single exception of the tea trade, which still continued to be monopolized by the East India Company, gave a new and powerful stimulus to the operations of the English contrabandists. In 1820, the number of chests smuggled into China had increased to 5,147; in 182I to 7,000, and in 1824 to 12,639. Meanwhile, the Chinese Government, at the same time that it addressed threatening remonstrances to the foreign merchants, punished the Hong Kong merchants, known as their abettors, developed an unwonted activity in its prosecution of the native opium consumers, and, at its custom-houses, put into practice more stringent measures. The final result, like that of similar exertions in 1794, was to drive the opium depots from a precarious to a more convenient basis of operations. Macao and Whampoa were abandoned for the Island of Lin-Tin, at the entrance of the Canton River, there to become manned. In the same way, when the Chinese Government temporarily succeeded in stopping the operations of the old Canton houses, the trade only shifted hands, and passed to a lower class of men, prepared to carry it on at all hazards and by whatever means. Thanks to the greater facilities thus afforded, the opium trade increased during the ten years from 1824 to 1834 from 12,639 to 21,785 chests.
Like the years 1800, 1816 and 1824, the year 1834 marks an epoch in the history of the opium trade. The East India Company then lost not only its privilege of trading in Chinese tea, but had to discontinue and abstain from all commercial business whatever. It being thus transformed from a mercantile into a merely government establishment, the trade to China became completely thrown open to English private enterprise which pushed on with such vigour that, in 1837, 39,000 chests of opium, valued at $25,000,000, were successfully smuggled into China, despite the desperate resistance of the Celestial Government. Two facts here claim our attention: First, that of every step in the progress of the export trade of China since 1816, a disproportionately large part progressively fell upon the opium-smuggling branch; and secondly, that hand in hand with the gradual extinction of the ostensible mercantile interest of the Anglo-Indian Government in the opium trade grew the importance of its fiscal interest in that illicit traffic. In 1837 the Chinese Government had at last arrived at a point where decisive action could no longer be delayed. The continuous drain of silver, caused by the opium importations, had begun to derange the exchequer, as well as the moneyed circulation of the Celestial Empire. Heu Nailzi, one of the most distinguished Chinese statesmen, proposed to legalize the opium trade and make money out of it; but after a full deliberation, in which all the high officers of the Empire shared, and which extended over a period of more than a year's duration, the Chinese Government decided that, "On account of the injuries it inflicted on the people, the nefarious traffic should not be legalized." As early as 1830, a duty of 25 per cent would have yielded a revenue Of $3,850,000. In 1837, it would have yielded double that sum, but then the Celestial barbarian declined, laying a tax sure to rise in proportion to the degradation of his people. In 1853, Hien Fang, the present Emperor, under still more distressed circumstances, and with the full knowledge of the futility of all efforts at stopping the increasing import of opium, persevered in the stern policy of his ancestors. Let me remark, en Passant, that by persecuting the opium consumption as a heresy the Emperor gave its traffic all the advantages of a religious propaganda. The extraordinary measures of the Chinese Government during the years 1837, 1838 and 1839, which culminated in Commissioner Lin's arrival at Canton, and the confiscation and destruction, by his orders, of the smuggled opium, afforded the pretext for the first Anglo-Chinese war, the results of which developed themselves in the Chinese rebellion, the utter exhaustion of the Imperial exchequer, the successful encroachment of Russia from the North, and the gigantic dimensions assumed by the opium trade in the South. Although proscribed in the treaty with which England terminated a war, commenced and carried on in its defence, the opium trade has practically enjoyed perfect impunity since 1843. The importation was estimated, in 1856, at about $35,000,000, while in the same year, the Anglo-Indian Government drew a revenue Of $25,000,000, just the sixth part of its total State income, from the opium monopoly. The pretexts on which the second opium war has been undertaken are of too recent date to need any commentary.
We cannot leave this part of the subject without singling out one flagrant self-contradiction of the Christianity-canting and civilization-mongering British Government. In its imperial capacity it affects to be a thorough stranger to the contraband opium trade, and even to enter into treaties proscribing it. Yet, in its Indian capacity, it forces the opium cultivation upon Bengal, to the great damage of the productive resources of that country; compels one part of the Indian ryots to engage in the poppy culture; entices another part into the same by dint of money advances; keeps the wholesale manufacture of the deleterious drug a close monopoly in its hands; watches by a whole army of official spies its growth, its delivery at appointed places, its inspissation and preparation for the taste of the Chinese consumers, its formation into packages especially adapted to the conveniency of smuggling, and finally its conveyance to Calcutta, where it is put up at auction at the Government sales, and made over by the State officers to the speculators, thence to pass into the hands of the contrabandists who land it in China. The chest costing the British Government about 250 rupees is sold at the Calcutta auction mart at a price ranging from 1,210 to 1,600 rupees. But, not yet satisfied with this matter-of-fact complicity, the same Government, to this hour, enters into express profit and loss accounts with the merchants and shippers, who embark in the hazardous operation of poisoning an empire.
The Indian finances of the British Government have, in fact, been made to depend not only on the opium trade with China, but on the contraband character of that trade. Were the Chinese Government to legalize the opium trade simultaneously with tolerating the cultivation of the poppy in China, the Anglo-Indian exchequer would experience a serious catastrophe. While openly preaching free trade in poison. it secretly defends the monopoly of its manufacture. Whenever we look closely into the nature of British free trade, monopoly is pretty generally found to lie at the bottom of its "freedom."

Mentioned People (1)

Marx, Karl  (Trier 1818-1883 London) : Philosoph, Politiker, Marxist, Publizist

Subjects

Communism / Marxism / Leninism / Economics and Trade / History : China - Europe : England

Documents (1)

# Year Bibliographical Data Type / Abbreviation Linked Data
1 1858 Marx, Karl. Freihandel und Monopol. In : Marx, Karl. Über China [ID D19696].
Marx, Karl. Free trade and monopoly : http://www.marxists.org/archive/marx/works/1858/09/25.htm.
Web / Marx19